Guestphalia Halle
November 2011
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- Kategorie: ROOT
- Veröffentlicht: Mittwoch, 28. September 2011 09:26
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Semesterlithographie der Rhenania Heidelberg, 1852
Die Archive der einzelnen Corps bergen vielfach interessante Schätze an studentischer Graphik, die über das eigene Corps hinaus von kultur- und allgemein geschichtlichem Interesse sind. Dazu zählt auch die Archivalie des Monats November, eine Semesterlithographie aus dem Archiv der Rhenania Heidelberg. Entstanden 1852 zeigt sie - in einer damals typischen Anordnung - die erste Aktivengeneration des Corps einschließlich seiner Stifter vom 15. Januar 1849 vor einer idealisierten Landschaft mit einer für den Ort charakteristischen Komponente (hier das Heidelberger Schloss) im Hintergrund.
Schöpfer des Werks war der Maler und Lithograph Carl Schubart aus Frankenthal, dort geboren am 17. März 1809 als Sohn des Stadtschreibers Johann Paul Friedrich Schubart. Er besuchte das Progymnasium seiner Heimatstadt und studierte 1834 bis 1837 an der Kunstschule in Stuttgart bei Johann Heinrich Dannecker. 1840 ermöglichte ihm ein Stipendium die Fortsetzung seiner Studien an der Kunstakademie in München, wo unter anderem Peter von Cornelius und Wilhelm von Kaulbach seine Lehrer waren. Ab 1844 hielt er sich wieder in der Pfalz auf. Schubart stand offensichtlich der revolutionären Bewegung von 1848/49 nahe. In dieser Zeit porträtierte er den Hecker-Gefährten Gustav von Struve (Bild heute im Erkenbert-Museum in Frankenthal) und andere Revolutionäre. 1852/53 sind weitere Semesterlithograohien und Einzelporträts bei Corps in Heidelberg (Rhenania, Saxo-Borussia), Gießen (Teutonia, Starkenburgia) und Würzburg (Rhenania) nachweisbar.
Nach einem Aufenthalt in den Niederlanden ließ sich Schubart 1856 zeitweilig als Porträtist und Theatermaler in St. Petersburg nieder, das er aber aus gesundheitlichen Gründen wieder verließ. 1863 bewarb er sich um eine Professur an der Kunstakademie von Valenciennes. Er erhielt eine Silbermedaille und den Professorentitel; die Stelle allerdings nicht. 1864 wurde er Zeichenlehrer am Gymnasium in Zweibrücken, 1874 am Gymnasium und an der Töchterschule in Speyer, wo er am 17. März 1889 verstarb.
Porträts auf studentischen Gruppenlithographien leisten neben ihrem kunsthistorischen Wert durch die oft einzige Überlieferung von Jugendporträts einen wichtigen Beitrag zur Personengeschichtsforschung.
Von den hier Dargestellten sind einige später im öffentlichen Leben hervorgetreten. Wilhelm Lanz (1829-1882) und Christian Schlichter (1828-1883), beide als Heidelberger Nassauer Mitstifter der Rhenania hatten später nacheinander das Amt des Oberbürgermeisters in Wiesbaden inne. Schlichter war auch Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses für die nationalliberale Partei. Alexander von Peez (1825-1912) war Generalsekretär des Verbandes der Industriellen in Wien und Mitbegründer des Verbandes der Montan-Eisen- und Maschinenindustrie in Österreich sowie Präsident des Industriellen Clubs. 1902 wurde er lebenslängliches Mitglied des Österreichischen Herrenhauses (Verfassungspartei).
Friedrich Dernburg (1833-1911) war ein bedeutender Politiker und einer der führenden Journalisten des Kaiserreichs. Er war ein Sohn des Gießener Juraprofessors Jakob Hartwig Dernburg, der aus einer alten jüdischen Gelehrtenfamilie stammte (selbst aber zum Protestantismus übergetreten war) und Enkel des Schriftstellers Hartwig Dernburg al. Zebi Hirsch. Mütterlicherseits entstammte er einer fränkischen Pfarrerfamilie. Dernburg, zunächst Fuchs bei Teutonia Gießen, dort aber nicht rezipiert, wurde im Mai 1850 bei Rhenania aktiv. Nach Beendigung seiner Studien ließ er sich as Hofgerichtsadvokat in Darmstadt nieder und betätigte sich daneben als Redakteur der Main-Zeitung. 1866 wurde er in die II. Kammer der hessischen Landstände gewählt, der er bis 1875 angehörte. Dernburg gilt neben dem Starkenburger August Metz als der wichtigste Führer der hessischen Fortschrittspartei in dieser Zeit. Seit 1871 war er Mitglied des Reichstags, zunächst als Mitglied der Nationalliberalen Partei, später als fraktionsloser Abgeordneter. Eng befreundet war er mit dem nationalliberal-freisinnigen Politiker Ludwig Bamberger. Er begleitete Kronprinz Friedrich v. Preußen (Kaiser Friedrich III) auf Reisen nach Spanien und Rom, unternahm eine Reise nach Rußland (Warschau, Moskau, Nishnij-Nowgorod) und 1891 in die Türkei zu der damals noch in Bau befindlichen Anatolischen Bahn zwischen Konstantinopel und Angora (Ankara). 1893 war er als Berichterstatter auf der Weltausstellung in Chicago. 1871 bis 1894 leitete Dernburg als Chefredakteur die Geschicke der Berliner
„National-Zeitung“, des führenden nationalliberalen Organs. Nach seinem Ausscheiden wechselte er als Feuilletonredakteur zum „Berliner Tageblatt“, wo er bis zu seinem Tod eine wöchentliche Kolumne betreute. Die über seine Reisen veröffentlichten Beiträge erschienen auch in Buchform. Ebenso schrieb er Novellen, Romane und zwei Schauspiele. Er starb 1911 und wurde auf dem Friedhof in Berlin-Grunewald beigesetzt.
Erwähnt werden soll letztlich noch Carl von Neidhardt (1831-1909), Giessener Teutone, seit 1850 auch Heidelberger Rhenane. Nach der Großen Staatprüfung und der Promotion zum Dr. jur. ließ er sich 1858 als Rechtsanwalt nieder, trat aber 1861 in die hessische Staatslaufbahn ein und wurde 1867 Legationsrat, später Ministerialrat. Im Oktober 1872 wurde er zum Bevollmächtigten des Großherzogtums Hessen beim Deutschen Bundesrat ernannt, eine Funktion, die er bis zu seinem Tode beibehielt. Seit 1876 war er außerdem hessischer Gesandter am preußischen Hof. 1878 wurde er zum Staatsrat, 1884 zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt.
Hf.
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