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Reichsehrenmal

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Bad Kösen und die Planungen für das "Reichsehrenmal"

Anlässlich der zehnten Wiederkehr des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges regte Reichsinnenminister Karl Jarres 1924 die Errichtung eines „Nationaldenkmals“ zum Gedenken an die zwei Millionen deutschen Kriegstoten an. Seine Initiative erregte ein gewaltiges Medienecho. Bereits im Herbst 1924 gingen zahlreiche Gestaltungsvorschläge ein. In einer Eingabe an Reichspräsident Friedrich Ebert forderte der Bund Deutscher Architekten im November 1924 einen Ideenwettbewerb...

Bad Kösen und die Planungen für das "Reichsehrenmal"

Anlässlich der zehnten Wiederkehr des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges regte Reichsinnenminister Karl Jarres 1924 die Errichtung eines „Nationaldenkmals“ zum Gedenken an die zwei Millionen deutschen  Kriegstoten an.  Seine Initiative erregte ein gewaltiges Medienecho. Bereits im Herbst 1924 gingen zahlreiche Gestaltungsvorschläge ein. In einer Eingabe an Reichspräsident Friedrich Ebert forderte der Bund Deutscher Architekten im November 1924 einen Ideenwettbewerb.

Die Regierung beauftragte „Reichskunstwart“ Edwin Redslob mit der weiteren Verfolgung der Angelegenheit. Obwohl er sich um die Zentralisierung des Verfahrens bemühte, mehrten sich die Eigenbewerbungen von Bürgermeistern, Verschönerungsvereinen und Standortkomitees, die „ihren“ Platz für den geeignetsten hielten.

Redslob legte im Februar 1926 dem „Reichsausschuss für die Errichtung eines Nationaldenkmals für die Gefallenen des Weltkriegs“ zwei Projekte vor: zum einen die Umgestaltung der Neuen Wache in Berlin, zum anderen die Schaffung eines „Heiligen Hains“ bei Bad Berka nach einem Vorschlag des Stahlhelm/Bund der Frontsoldaten. Dessen ungeachtet unternahm er in Begleitung von Künstlern, Schriftstellern und Parlamentariern mehrere Reisen, um sich von anderen vorgeschlagenen Orten einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Vom 14. bis 16. September 1925 hielt er sich an der Oberweser und im Weserbergland auf. Einen Bericht über diese Reise im Naumburger Echo vom 14. September nahmen – wohl auf eine Initiative des Kösener Lehrers Walther hin – die Stadtväter von Bad Kösen zum Anlass, ihrerseits auf den zwischen Kösen und Schulpforta gelegenen Käppelberg (auch: Köppelberg) als möglichen Standort hinzuweisen. Die von allen Seiten sichtbare, das Landschaftsbild prägende Anhöhe erhebt sich inmitten des Kösener Kessels auf rund 40 Meter über das Tal und schiebt sich gegen Kösen zu in das Saaletal vor. Auf drei Seiten stiegen rasenbedeckte Hänge an. Die vierte Seite war durch den Pfortaer Paß, der sog. Windlücke (durch die die Landstraße, die heutige die Bundesstraße 87 verläuft), mit dem südöstlich von Schulpforta gegen Almrich hin verlaufenden Höhenrücken verbunden.

Der Kösener Bürgermeister Hans Ciorek ließ durch den in Saaleck ansässigen Architekten Paul Schultze-Naumburg ein Gutachten erstellen. Eines seiner wichtigsten Argumente für den Standort Bad Kösen (das aber auch von zahlreichen anderen Orten vorgebracht wurde) war die zentrale Lage im Reich. Durch die Thüringer Pforte südlich von Naumburg verlief eine der verkehrsreichsten Eisenbahnstrecken Deutschlands. Zwischen Großkorbetha und Großheringen liefen mehrere Hauptstrecken zusammen, die Berlin, Leipzig und Magdeburg mit Kassel, München, Stuttgart und Karlsruhe verbanden. Der geplante Standort für das Ehrenmal war von der Bahn aus weithin sichtbar. Eher konstruiert wirkt dagegen die historische Bezugnahme auf die Schlacht bei Hassenhausen (1806) und den zu Pforta vereinbarten Friedensschluss zwischen Landgraf Friedrich dem Sanftmütigen und seinem Bruder Wilhelm (1541), dem ein Treffen der beiden Brüder auf dem Käppelberg vorausgegangen sein soll. Immerhin griff das Naumburger Tageblatt den geschichtlichen Bezug später auf und nannte das „Dreieck, das durch die Punkte Rudelsburg, Napoleonstein und Pforta umschrieben wird, und in dessen Mitte der Käppelberg liegt, [...] ein Stück Erde, das ein gewaltiges Stück deutscher Geschichte und Kulturgeschichte sah.“ Nicht zuletzt verwies Schultze-Naumburg auf die landschaftlichen Reize: „Die mit Wäldern überzogenen Höhen, die leichtgeschwungenen Hügellinien und die von der Saale durchflossene Talsohle geben einen Rahmen, der in besonders hohem Grade die Züge trägt, die wir als deutsches Land empfinden. Trotzdem treten an dieser Stelle nirgends Naturformen auf, die etwa durch zu großes räumliches Ausmaß auf ein Kunstdenkmal drücken oder durch auffallende Besonderheit von einem solchen ablenkend wirken könnten.“

Nur wenige Tage nach Vorstellung des Projekts bat der Magistrat der Stadt Bad Kösen den damaligen Vorsitzenden des Verbandes Alter Corpsstudenten, Staatsanwaltschaftsrat Werner Meißner, um Unterstützung und insbesondere mit dazu beizutragen, dass der Kösener Standort ebenfalls durch den Reichskunstwart besichtigt wird (s. Abbildung). Und unter dem 3. Oktober trug der Magistrat Meißner die Mitgliedschaft in einem zu konstituierenden Ehrenausschuss an. Eine Besichtigung der Örtlichkeiten mit anschließender Besprechung im Kösener Parkhotel wurde auf den 24.10. terminiert. Die Versammlung fand am angegebenen Tag statt – allerdings ohne Meißner und ohne den ebenfalls eingeladenen Reichskunstwart. Dafür erschienen unter anderem der Magdeburger Regierungsrat Rintelen als Vertreter des Oberpräsidenten, Landeshauptmann Erhard Hübener aus Merseburg (der spätere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt), der Naumburger Oberbürgermeister Dietrich mit seinem Stadtbaurat Friedrich Hoßfeld und dem Naumburger Landrat von Deines sowie Oberst von Schönberg aus Kreipitzsch. Schultze-Naumburg stellte das Vorhaben in seinem Referat noch einmal vor und brachte erste Ideen für die Gestaltung ein („mehr breit als hoch, vielleicht in Form einer Halle“). Eine Ortsbegehung ermöglichte eine eingehendere Betrachtung.

Die meisten Teilnehmer äußerten sich grundsätzlich positiv. Rintelen überbrachte zusätzlich die Grüße des Oberpräsidenten, der „sich für das Projekt außerordentlich interessiere“, bei der Fülle der einlaufenden Vorschläge aber nicht jeden einzelnen persönlich verfolgen könne. Hübener sprach sich auch „sehr günstig und zustimmend“ aus, verwies indessen auf weitere zu prüfende Projekte. Kritisch äußerte sich der bei der Besprechung nicht anwesende Merseburger Regierungspräsident Walter Emil Grützner (SPD), der sich für den Stahlhelmvorschlag (Heldenhain in Thüringen) aussprach. Die Versammlung am 24. Oktober setzte einen Arbeitsausschuss ein, der aus Bürgermeister Ciorek, Stadtbaurat Hoßfeld, Landrat v. Deines, Regierungsrat Jander aus Pforta, Schultze-Naumburg sowie dem von Hübener vorgeschlagenen Geheimen Baurat Ohle bestand.

Im Dezember kam in Berlin endlich eine direkte Aussprache zwischen Ciorek, Schultze-Naumburg und einem Mitarbeiter des Reichskunstwarts zustande. In die engere Auswahl kam das Projekt in Bad Kösen offensichtlich nicht. Im Herbst 1926 flaute die Denkmaldebatte etwas ab, erhielt aber neuen Schwung mit der Einweihung des Tannenberg-Nationaldenkmals im September 1927. Der Reichstag ersuchte die Regierung, von einer Beschlussfassung abzusehen, solang das Rheinland nicht vollständig von fremden Besatzungstruppen geräumt sei. Weiter betrieben wurden letztlich die Planungen für Bad Berka, das 1931 endgültig den Zuschlag erhielt. Ein im Mai 1932 ausgeschriebener Wettbewerb für die Gestaltung brachte über 1800 Vorschläge. Der zur Ausführung empfohlene Entwurf wurde aber nicht mehr realisiert. Die preußische Regierung hatte sich zwischenzeitlich entschieden, die Neue Wache in Berlin zu einem Ehrenmal für die preußischen Gefallenen umzugestalten. Sie wurde am 2. Juni 1931 eingeweiht und in der Öffentlichkeit seither auch als Ehrenmal für alle deutschen Kriegstoten wahrgenommen.

 

Quellen: Kösener Archiv, Best. A 1 Nr. 662 II a (Reichsehrenmal Bad Kösen)

Literatur: Henrik Hilbig: Das Reichsehrenmal bei Bad Berka. Entstehung und Entwicklung eines Denkmalprojekts der Weimarer Republik, Aachen 2006; Christian Fuhrmeister: Im Einsatz für das Reich bei Tag und Nacht. Edwin Redslobs Bemühungen um das „Reichsehrenmal!“, in: Christian Welzbacher (Hg.): Der Reichskunstwart. Kulturpolitik und Staatsinszenierung in der Weimarer Republik 1918-1933, Weimar 2010, S. 217-231